Den "richtigen" Unternehmenswert berechnen?
Es gibt keinen absolut richtigen Unternehmenswert. Ebenso wenig gibt es eine rechtlich verbindliche Vorgehensweise für dessen Ermittlung, lediglich Empfehlungen. Darin besteht die grundsätzliche Problematik einer Unternehmensbewertung.
Von den Wirtschafts-Fachleuten wurden jede Menge theoretische Modelle entwickelt und alle möglichen Berechnungen angestellt, um einen «objektiven und richtigen Unternehmenswert» zu berechnen. In der Praxis stellt sich dies als unmöglich dar.
Unternehmensbewertung für KMU braucht Erfahrung
95% aller Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittlere Unternehmen, KMU genannt. Die Durchführung einer professionellen Firmenbewertung für diese Gruppe braucht ein hohes Mass an praktischer Erfahrung und Spezialwissen. Experten mit Praxiserfahrung in der Unternehmensbewertungen sind deshalb relativ selten anzutreffen. Grundsätzlich könnte jeder interessierte Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eine Unternehmensbewertung durchführen. Für KMU-Unternehmen ist dies ohne praktische Erfahrung jedoch zeitaufwendig, das Ergebnis oft unrealistisch. Die Kosten sind für kleinere Unternehmen schmerzhaft hoch, das Ergebnis nicht immer hilfreich.
Jede Unternehmensbewertung ist individuell!
Für Unternehmen, Firmen und Betriebe gibt es in der Regel keinen Preisspiegel wie bei Gebrauchtwagen oder Immobilien. Bei einem Unternehmenskauf oder -verkauf muss der Wert in jedem Einzelfall zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt werden. Der aus den Jahresabschlüssen errechenbare Unternehmenswert ist meist nur ein Teil des Verkaufspreises. Die verwendete Methode ist dabei nicht entscheidend. Oft spielen beim Unternehmenskauf auch noch andere Überlegungen in den Unternehmenswert hinein, beispielsweise welche Erwartungen der Käufer an die Zukunftsaussichten des Unternehmens hat – Stichwort Internet-Start-Ups. Da werden oft Unternehmenswerte benannt – und bezahlt! – die nur als Glückspiel bezeichnet werden können.
Um eine «betriebswirtschaftlich seriöse» Unternehmensbewertung zu finden, wurden von den Wirtschafts-Wissenschaften verschiedene mehr oder weniger komplizierte Rechenmodelle und Verfahren entwickelt. Wikipedia beispielsweise kennt 9 Haupt-Rechenmodelle, mit einer Reihe von Untermethoden, davon gehören je nach Anlassfall, etwa 5 Bewertungsmethoden zu den Standardverfahren. Wer den Beitrag in Wikipedia liest kann schnell feststellen, dass dies sehr theoretisch ist und dem Elfenbeinturm der Wirtschaftswissenschaftler entspringt. Für KMU, die immerhin 95% aller Unternehmen in Deutschland ausmachen, viel zu schwerfällig.
Praktiker-Methoden zur „realistischen“ Firmenbewertung?
Oft hört man von sogenannten «Praktiker-Methoden» zur Ermittlung des Firmenwertes. Man nehme den Jahresumsatz und multipliziere ihn mit einer Zahl x je nach Branche. Das Resultat soll dann der zu erzielende Kaufpreis sein. Wenn beide Seiten damit einverstanden sind – Warum nicht?
Andererseits ist diesen Vorgangsweise völlig willkürlich! Genauso gut könnte man den Jahresumsatz mit dem Gewicht des Inhabers oder dem Wasserstand im Rhein multiplizieren. Wie immer die Wertermittlung auch zustande kommt, ein «richtiger» Wert ist das noch lange nicht. Aber nochmal: wenn Käufer und Verkäufer damit einverstanden sind – Warum nicht?
Due Dilligence und Verkaufspreis
Nun ist in der Unternehmensbewertung die Ermittlung eines Verkaufspreises noch relativ einfach. Für Unternehmens-Käufe, von grösseren Unternehmen hat sich ein Vorgang etabliert, der als «Due Diligence» bekannt ist. Der Begriff heisst wörtlich übersetzt «Besondere Sorgfaltspflicht». Hierbei wird das zu kaufende Unternehmen «besonders sorgfältig» in allen denkbaren Bereichen geprüft. Dazu gehören beispielsweise Gesellschaftsstruktur, Management, Patente und Schutzrechte, Verträge, Mitarbeiter, Rentenvereinbarungen, Steuersituation, Kundenstamm, Marktposition, Zukunftsaussichten, um nur einige zu nennen. Die Summe aller Werte ist dann der Unternehmenswert.
Eine Due Diligence ist ein sehr genauer und aufwendiger Vorgang und kann je nach Grösse des Unternehmens von 3 Tagen bis zu 6 Monaten dauern.
Der Bewertungsanlass ist der Knackpunkt
Kauf und Verkauf ist aber nur einer der vielen Bewertungsanlässen. Bewertungsanlässe können beispielsweise sein:
- Zugewinnausgleich bei Ehescheidung (§ 1363–1390 BGB),
- Bewertung bei Erbauseinandersetzung,
- Bewertungen zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen,
- Liquidation / Insolvenz,
- Prüfung der Sanierungsfähigkeit,
- Börsengang,
- Anteilsbewertung bei Gesellschafterwechsel,
- Pachtung, Verpachtung von Unternehmen,
- Kreditwürdigkeitsprüfung sowie Kreditüberwachungen
- Und einiges mehr
Fakt ist: der betriebswirtschaftliche Unternehmenswert, der steuerliche Unternehmenswert und ein tatsächlich zu erzielender Preis als Marktwert, können trotz jeweils korrekter Ermittlung völlig verschieden sein.
Eine realistische Unternehmensbewertung setzt grundsätzlich eine klare Zweckbestimmung abhängig vom Anlass voraus. Die Ermittlung des Firmenwertes ist daher nur bedingt eine eindeutige Aufgabe. Ein tiefgreifendes Verständnis für Bilanzen und GuV-Rechnungen und ein sorgfältige Würdigung des Unternehmensumfeldes sind unabdingbare Voraussetzung.
Besondere Situationen
Zusätzliche Komplikationen treten in der Bewertung auf, wenn die Ermittlung des Firmenwertes strittig wird wie beispielsweise bei Erbschaften oder bei Scheidung eines Unternehmers. Im Familienrecht beim Zugewinnausgleich ist es oft mühselig zu einer aussergerichtlichen Einigung zu kommen, wenn Rosenkrieg geführt wird. Für den Unternehmenswert gibt es jede Menge juristische Anknüpfungspunkte über die hervorragend diskutiert werden kann
Da ist es hilfreich echte und belastbare Zahlen verfügbar zu haben. Aus meiner Zusammenarbeit mit namhaften Scheidungsanwälten habe ich mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Ermittlung des Firmenwertes für den Zugewinn. Da kann es durchaus um Millionen gehen, wie man im Beitrag «IDW S1 versteckt Millionen» nachlesen kann.