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IDW S1 versteckt Millionen im Zugewinn - Oder?

Praxisfall – man fasst es nicht: In einem aktuellen Fall eines Zugewinnausgleichs bestehen in einer GmbH Bankguthaben in Höhe von 2,6 Millionen Euro und ein Forderungsüberhang von ca. 300.000 Euro, insgesamt also ca. 2,9 Millionen an Vermögenswerten. Zusammen mit dem Ertragswert ergibt sich draus ein Gesamtwert von ca. 4 Mio. EUR. So weit so gut.

Von Seiten des Inhabers wurde ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers vorgelegt, dem zu Folge der Gesamtwert(!) des Unternehmens  – streng nach IDW S1 – nur etwa EUR 800.000 beträgt.

Und was ist mit den Bankguthaben und Forderungen von beinahe 3 Millionen Euro?

Es ist ziemlich dreist, dass der Unternehmer den Gesamtwert von 800.000 Euro gerichtlich eingeklagt hat. Die kluge Richterin hat das Spiel durchschaut, einen Sachverständigen beauftragt und auch gleich die Methoden vorgegeben, nämlich das «modifizierte Ertragswerterfahren» und die Ermittlung des «Liquidationswertes». Allerspätestens beim Liquidationswert werden die Bankguthaben in die Berechnung eingehen müssen. Das Verfahren ist noch am Laufen. Am Ausgang besteht kein Zweifel.

Es erstaunt immer wieder mit welcher Dreistigkeit die Regeln des IDW S1 im Zugewinn gelegentlich missbraucht werden. Dabei werden umfangreiche „Gutachten“ renommierter Wirtschaftsprüfer vorgelegt, die unter Berufung auf diese Richtlinien einen Betrag präsentieren, der angeblich den gesamten Unternehmenswert darstellt.

Unter Berufung auf «nicht betriebsnotwendiges Vermögen» wird nun IDW S1  vorgeschoben, um erhebliche Bankguthaben, Forderungen und andere Vermögensgenstände des Firmenvermögens zu verheimlichen.

Was in diesen Fällen aber immer verschwiegen wird ist, dass der Unternehmenswert nach IDW S1 nur ein Teil des gesamten Unternehmenswertes ist.

 

IDW S1 in der Unternehmensbewertung

Im Regelfall findet bei einem Kauf oder Verkauf eines grösseren Unternehmens eine sogenannte «due diligence» statt. Dabei werden sämtliche Aspekte und Vermögensgegenstände eines Unternehmens analysiert und bewertet.

Dazu gehören natürlich die vorhanden Vermögenswerte zu ihrem Marktwert bzw. zum Wiederbeschaffungswert. Das ist meist relativ einfach. Dazu gehören natürlich auch Forderungen, Verbindlichkeiten und Bankguthaben und anderes. In grösseren Unternehmen sind diese Werte üblicherweise gut dokumentiert und damit leicht festzustellen.

Kompliziert wird es nur bei der Bewertung der eigentlichen Geschäftstätigkeit. Hier setzt nun die Richtlinie IDW S1 an, und bewertet die Zukunftsaussichten auf Basis die Finanz- und Ergebnisplanung für die kommenden Jahre und errechnet so den aktuellen Wert der eigentlichen Geschäftstätigkeit..

Dieser Wert nach IDW S1 bildet zusammen mit Forderungen Verbindlichkeiten, Bankguthaben und sonstigen Vermögensgegenständen den tatsächlichen Verkaufswert des Unternehmens. 

Soweit im Zugewinnverfahren für den „vollen und wirklichen Wert“ (lt. BGH) des Unternehmens die übrigen Vermögensgegenstände, Forderungen, Verbindlichkeiten UND Bankguthaben in die Ermittlung des Firmenwertes miteingehen, hat dies seine Richtigkeit.

Beim Unternehmensverkauf von KMU, meist mit einem einzelnen Inhaber, läuft der Verkauf etwas einfacher. Bankguthaben und Bares, verbleiben im Normalfall beim Verkäufer.

Bei der Auseinandersetzung im Zugewinn bedeutet dies, dass die Bankguthaben entweder zum Unternehmenswert gehören. Im obigen Beispiel beträgt also der Unternehmenswert 4 Mio. EUR.

Oder, bei Betrachtung nach IDW S1 gibt es den reinen Unternehmenswert und die Guthaben sind dem Privatvermögen zuzurechnen. Dann beträgt der Unternehmenswert 0,8 Mio. und gleichzeitig erhöht sich das Privatvermögen um 2,9 Mio. EUR. Für die Berechnung des Zugewinns ändert sich in der Gesamtsicht  grundsätzlich nichts.

Im angeführten Fall ist aktuell der gerichtlich beauftragte Sachverständige am Zug. Die erfahrene Richterin hat eine Wertermittlung zusätzlich auch nach dem „Liquidationswert“ in Auftrag gegeben. Schlau! Denn spätestens bei der Liquidation werden die fast 3 Millionen zum Vorschein kommen müssen.

Nur nebenbei sei angemerkt, dass der betreffende Unternehmer ein Kaufangebot über 0,8 Mio. EUR für das Unternehmen ausgeschlagen hat. Warum wohl?
*smile*

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